28C3: Tag 2
Heute berichte ich sehr spät, Mitternacht ist schon vorbei. Irgendwie habe ich mir heute keine Zeit zwischendurch genommen. Ich sitze in Saal 1 und sehe den Jeopardy-Leuten beim Aufbauen zu.
Ich habe mich heute näher mit der r0ket beschäftigt. Es war noch eine Test-Firmware drauf, die ausschließlich die Grundfunktionen ausprobiert und dann anhält. Die Dokumentation im Wiki ist fürchterlich durcheinander, teilweise veraltet oder ungenau, aber man findet sich irgendwie zurecht. Zum Ausprobieren habe ich ein kleines Programm geschrieben, das die Werte des Helligkeitssensors in Form einer an- und abschwellenden Kurve darstellt. Man wedelt mit seiner Hand vor dem Sensor rum und kann so lustige Wellen auf dem Display zeichnen. Könnte man ein schönes Spiel draus machen.
Außerdem hab ich mir die Huge Hardware Hacking Area heute näher angesehen. Wer gerne blinkende Dinge baut, seine r0ket zur Laserpistole umfunktionieren möchte oder Löten lernen möchte, fühlt sich hier wohl. Es lief gerade ein Lötkurs für “absolute N00bs”, denen beigebracht wurde, auf Arduino-Basis eine TV-Be-Gone zu bauen, ein Gerät, das auf Knopfdruck ein “Fernseher ausschalten”-Infrarotsignal sendet. Auf der Straße gegenüber “könne man das gut ausprobieren”. Außerdem hat jemand eine Häkelmaschine so gehackt, dass diese Club-Mate-Mützen häkelt.
Es fand ein Workshop zum Selberbrauen von Mate statt, dessen Organisatoren allerdings zugaben, das vorher selbst noch nie ausprobiert zu haben. Eine Person davon war Mitautor des Hackerbrause-Buchs, in dem das Rezept auch abgedruckt ist. Tja, hätten sie vorher vielleicht mal ausprobieren sollen, das Gesöff wurde fürchterlich bitter, wo auch die Zugabe von Unmengen Honig nichts mehr half. Roch allerdings sehr ähnlich wie echte Mate. War ein bisschen trüber. Ne, ne, ne.
Ich war in Vorträgen über Foodhacking (Mohrrüben sind nicht unbedingt orange, es gibt sie auch in Rot, Gelb und Pink-Weiß gepunktet; Sushi aus fluoreszierenden Fischen und Meringen aus Smog-Luft herstellen; Talk war wenig anschaulich und irgendwie eher aus künstlerischer Sicht gehalten. Aber eine typographische Freude), über eine Methode, durch gezielt herbeigeführte Hashing-Kollisionen hohe Auslastungen bei Webservern zu erzeugen (ne, das erklär ich hier nicht. Again, google it), über Energieerzeugung zu Hause (Solarzellen! Surprise! “Das ins öffentliche Stromnetz einzuspeisen geht auch, irgendwie”), über Hörgeräte (total interessant, mit Hörbeispielen aus der Perspektive von Hörbehinderten; Wenn ganze Frequenzbänder unhörbar sind, verschiebt man die in andere Bereiche und komprimiert den Rest; Mit tollen Diagrammen!), über die (ganz frühe) Planung eines Satellitennetzes. Nick Farr, der in diesen Kreisen eine gewisse Bekanntheit hat, machte eine mitreißende Einleitung. Er nannte wichtige Eigenschaften, die das System haben sollte, und blendete die einzeln ein: “Offen”, “Sicher”, noch irgendwas, und beim letzten Punkt schaltete die Präsentation nicht mehr weiter. drück drück … “Zuverlässig”. Das war doch glatte Absicht. :-)
Und der letzte richtige Talk war dann nochmal der Hammer. Der Titel lautete “Quantified Self”, es ging also um die zahlenmäßige Erfassung von Körperdaten, vor allem um Hirnströme, und er wurde von drei TYPEN gehalten, die alle auf ihre eigene Art… draufwaren. Einer gab seinem Kollegen beim Vortragen Gesten, eine Folie weiter zu blättern, aber nicht durch ein kleines Winken, sondern indem er die nach unten zeigende Handfläche mit einer forschen Bewegung von oben nach unten führte. Woraufhin die Anregung kam, das nächstes Jahr mal mit Microsofts Motion-Tracking-System, der Kinect, umzusetzen. Der zweite saß währenddessen beinahe absolut regungslos da, um später beim Reden ruhelos auf der Bühne herumzulaufen. Er war in einen geschmackvollen Mantel mit gemustertem Kragen gekleidet und trug eine ebenfalls gemusterte Sonnenbrille und seinen Haarreif mit Messelektroden stets auf dem Kopf (Zitat aus der Präsentation: “Es wurde mal behauptet, dass Selbstmessung süchtig macht. Glauben wir nicht). Es war (oder spielte??? - Ich bin mir nicht sicher!) dann extrem überheblich, meinte ständig, dass es ja wohl möglich sein müsste, Fragen zu formulieren, und dass wir bei langweiligen Stellen jetzt bestimmt unsere Mails abrufen würden. Sein Computer ging zu Beginn irgendwie “kaputt”, woraufhin er sich auf der Bühne auf den Boden setzte, und versuchte, ihn wieder zu “reparieren”. Naja, und der folgende Inhalt ließ mich teilweise laut auflachen, teilweise mit fassungslos offenstehendem Mund dasitzen, so pseudowissenschaftlich, unbeweisbar, subjektiv, voodomäßig und esoterisch war das. Dummerweise waren aber auch viele kluge, neue Ideen drin. Methoden wie Biofeedback etwa klingen für mich absolut vernünftig. Damit kann man seine Gehirnfrequenzen in eine bestimmte Richtung lenken, weil man einerseits die Werte seiner eigenen EEG-Messung sieht, andererseits von einer Software für Veränderungen in die richtige Richtung durch zunehmend harmonischere Töne belohnt wird. Angeblich könne man so richtig Musik machen. So verließ ich diesen Talk sehr nachdenklich.
Ein dritter Mann redete auch noch, aber der drehte nu wirklich völlig frei, erzählte von einer visuellen Programmiersprache, die mit Gedanken geschrieben werden könne, und die aus “den vier Elementen” aufgebaut sei: Erde stünde für die Variabeln, und so weiter. Ich konnte auch ihn nicht komplett lächerlich finden, denn eine colle Idee ist Programmieren mit Gedanken ja schon. Aber dass die drei viele Personen überzeugen konnten, an ihrem tollen, großen Softwareprojekt, “in dem endlich mal keine Idee lächerlich sei” mitzuarbeiten, bezweifle ich. Ich halte die Hackergemeinde ja für sehr tolerant, aber die hier wurden einfach die ganze Zeit ausgelacht.
Jemand hat heute SMS-Spam im GSM-Netz betrieben: Zunächst kam ein ASCII-Fisch: >(((°>
, eine halbe Stunde später eine Veranstaltungs-Einladung von der selben Nummer.
Auf der Toilette wird abends Rickroll, Nyan Cat und Trololo gespielt!
In der Lounge in Ebene B (Erdgeschoss) steht die PainStation des Computerspielemuseums.
An verschiedenen Stellen hing ein Schild: “Der DDoS fällt aus. Letztes Jahr waren sie zu gut vorbereitet.” Ha, ha, I guess? Ein “Distributed Denial of Service”-Angriff ist das Äquivalent zu hundert Leuten, die gleichzeitig mit dir reden wollen. (Ergänzung 2012-12-27: Es ging um den kollektiven Besuch des nahegelegenen Dukin’ Donuts.)
Und ein tolles T-Shirt mit dem tollen Logo hab ich jetzt auch, das übrigens eine Hexadezimal-Repräsentation von ASCII-Zeichen enthält, die Artikel 10 des Grundgesetzes, Paragraph 1 ergeben: “Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.”
Das Prinzip der heutigen Spielshow, Hacker Jeopardy, sieht wie folgt aus: Die drei oder vier Kandidaten bekommen eine Lösung präsentiert und müssen eine passende Antwort dazu bilden. Die Fragen stammen aus verschiedenen Kategorien und haben verschiedene Punktzahlen. Bei Unklarheit über die Lösung wurde mit den r0kets abgestimmt. Später kam ein weiteres Entscheidung- und Unterhaltungswerkzeug dazu: Der bunte Laserpunktschwarm, der von Zuschauern mit Laserpointern gebildet wurde, und gelegentlich bestimmte, welcher Spieler sich eine Frage aussuchen durfte. Während der dritten Runde veranstalteten die Punkte eine sehr unterhaltsame Jagd über die Saalkuppel (DAS war nicht im Stream zu sehen :-P) Jeopardy gehört schon traditionell zum Congress, ist sehr beliebt und wird sogar simultan auf Englisch übersezt. Könnte ruhig mal n bisschen mehr frischer Wind rein.
Gerade noch so meinen Bus erwischt. Mein Schlafrythmus verschiebt sich weiter nach hinten… :-)
Cooler Tag. Bis morgen, wo ich eine Charakterstudie an den Congressteilnehmern vorhabe!
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